drawing by Shahram Sheydayi

Ein Gedicht von

Shahram Sheydayi

Übersetzt von Soussan Sarkhosh

Du er fri til at acceptereDie große Leere
verschlingt die kleinen Leeren.
Die Zahlen schwimmen auf dem Wasser.
Die Leichen werden einzeln zur Erkennung geschickt.
Der Horizont zieht an meine Kehle so weit wie möglich.

                        ***

Mein Gehirn muß doch irgendwo hier herum liegen!
Früher konnte man die Tage erkennen,
Konnte man wissen, welches Jahr es ist.
Sich irren in einem Kino, aus dem du nicht heraus gehen wirst,
Wechselnde Leute, wechselnde Filme.
Mein Gehirn lag doch irgendwo hier ganz in der Nähe!
Auf den Sand gefallen, tilgt es die Errinerung,
Tilgt Mich, tilgt die Erkenntnisse.
Es lag hier herum. Auf dem Sand ist es nicht.
Es liegt nicht auf den Mauern. Im Haus ist es auch nicht.
Ein Dritter beobachtet meine Bewegungen,
Versucht ein vermeintliches Ich meinem wirklichen Ich aufzukleben.
Sich fürchten in dem Augenblick,
In dem drei Ichs sich gegenseitig anschauen.
Ich suche in meinen Taschen.
Vielleicht hat jemand daraus (aus meinem Gehirn) ein Gerücht gemacht
Und es mir in die Tasche geschoben, nein da ist es auch nicht.


Die Füsse außerhalb der Stadt.
Tausend Tonnen Müll.
Vielleicht hat es jemand weggeworfen
Und es ist in einem Müllwagens, in einem großen Kreis, hier gelandet.
Millionen Tonnen Müll und ein Mensch, auf ihm ein schweres Kino.
Hier mitten in diesem Müll suche ich nicht jenes Wort,
das sich auf irgend einen Teil meines Körpers bezieht.
                  
                         ***

Vielleicht habe ich an jenem Tag im Zoo die Schale genommen
Und sie in den geöffneten Mund eines Delfins geworfen.
Es muss doch hier ganz in der Nähe gewesen sein!
Vielleicht habe ich sie jener noch unfertigen Mauer,
An der ich lehnte, mitgeteilt.
Kompliziert, es gehörte mir, vielleicht auch nicht.
Mein Gehirn, dieses Machwerk, das mich ein Leben lang begleitet hat,
Zusammen haben wir es gebastelt,
Muß doch hier in der Nähe liegen.
Es war Nacht, alle schliefen, da ist es hinaus geschlichen,
Niemand kann seine Flucht beweisen.
Mein Gehirn, das gemeinsame Produkt von mir und dem Außen,
wo kann es sein?
Eine Maschine, die jede Nacht einem einzigen Zuschauer Filme zeigte,
Täumte.
Mein Gehirn zeigte Filme, die keiner sehen wollte,
Ist jetzt irgendwo draußen, und ein großes Kino,
Ein wirkliches, liegt auf ihm.
Vielleicht haben Leute es aufgewiegelt, seine Unabhängigkeit zu erklären.
Es hat eine neue Flagge gehisst,
Einen neuen Staat gegründet, seine Grenzen festgelegt, es ist ein Separatist.
Vielleicht haben Leute nach der Unabhängigkeit
Einen Bürgerkrieg angestiftet,
Das System hat sich selbst zermalmt.
Vielleicht ist nach dem Krieg doch etwa übrig,
Wenigsten eine seiner Straßen, ein Laden in einer der Gassen.
Man muß es finden und ihm in Errinnerung rufen, daß es jahrelang dort
Lakritzen gekauft und Kirschen geklaut hat.
Vielleicht hat die Stadt sich verändert,
Ist der Tante-Emma-Laden längst verschwunden,
Wurden die Bäume gefällt, die Gärten parzelliert,
Sind seinen Spielgefährten Bärte gewachsen,
Sind sie ernst geworden,
Sind sie alt geworden.
Vielleicht ähneln die Kinder ihren Vätern, man kann eine Spur finden.
Ein Exilant in Belgien hat die Stadt ganz in Erinnerung bewahrt.
Aber ich habe den Kerl verloren.


Es lag hier ganz in der Nähe, ich bin sicher, niemand hat es weggenommen.
Vielleicht wollte es schon lange mit mir reden, mir etwas sagen.
Ich hatte nie Zeit, es hat gewartet, vierzig Jahre gewartet.
Möglich, dass es dabei parnoid geworden ist,
Dem Wahn verfallen ist, die Erde zu sein,
Zu rotieren begonnen hat, eine Sonne fand, die es nun umkreist.
Möglich, dass es seine Vergangenheit vergessen hat.
Vielleicht hat es in den langen Wartezeiten neue Sprachregeln erfunden,
Ist es mit der Zukunft ins Spielen geraten und
Hat sich immer mehr von mir entfernt,
Hat dort in der Ferne einen Film gefunden und ist dort geblieben.
Vielleicht hat es sich an eins von unsern gemeinsamen Werken Angeschlossen.
Da muß es jetzt irgendwo dahinter sein.
Vielleicht war es all die Jahre in mir gefangen und nun hat es sich befreit.
Die Städte sind groß, vielleicht kann man es nicht mehr finden.
Es arbeitete gut, ich kann mich genau errinern, vielleicht hat es nach der
Befreiung sein Gesicht verändert, sich einen neuen Ausweis angeschafft,
Seine Adresse verheimlicht,
Vieleicht ist dies (Gedicht) eine Anzeige, eine sehr persönliche,
Und eines Tage ist es in seine Hände,
Es wird sehen, dass ich den Kopf angeschlagen habe und es brauche.
Es muß doch ganz in der Nähe sein, ich brauche es.
Vielleicht wenn wir uns wider finden, werde ich zögern.


„ich bin nicht, also kann man mich nicht mehr finden“
Sowas wird vielleicht an seine Tür stehen.

Vielleicht werde ich nach jahre langem Nachdenken, darunter schreiben,
Vielleicht auch auf einen anderen Zettel schreiben,
„Tod eines Freundes“ ■

( Lachen in ainem Haus,das brennt.  p.92)